Der Wiener Narrenturm, eröffnet 1784, steht am Beginn der modernen Anstaltspsychiatrie. Oftmals verteufelt, symbolisiert er heute die dunkle Seite der Psychiatrie. Geschichtswissenschaftlich blieb er bis dato jedoch größtenteils unerforscht.
Dieser Vortrag widmet sich der Institutionsgeschichte dieser mythenumrankten „Irrenanstalt“ und zeichnet den schrittweisen Aufbau der stationären Psychiatrie in Wien bis ins 20. Jahrhundert nach. Die Patient:innen des Narrenturms und ihre Krankheiten werden in den Blick genommen sowie die historisch wechselnden Therapieansätze besprochen. Bereits in seiner Zeit hoch umstritten, wird die historische Kritik am Narrenturm dargestellt und wie sein Bild bis heute im modernen Psychiatriediskurs fortwirkt. Zuletzt sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der modernen und historischen stationären Versorgung von psychisch Kranken herausgearbeitet werden.
Die Präsentation strebt eine faktenbasierte Entmythologisierung des frühen Wiener psychiatrischen Versorgungsnetzes an und möchte Diskussionsanstöße für eine kritische Neubewertung der frühen Anstaltspsychiatrie im allgemeinen Geschichtsverständnis geben.
Referent:
Dr. Daniel Vitecek, Studium der Humanmedizin. Arzt in Ausbildung. Diverse Publikationen zur Wiener Psychiatriegeschichte. Letzte Veröffentlichung: „Der Wiener Narrenturm: Die Geschichte der niederösterreichischen Psychiatrie von 1784 bis 1870“ Springer VS, 2023.