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Schöpferische Freiheit

Dr.in Eva Wagner-Lukesch

Schöpferische Freiheit ist ein für die Gestalttheoretische Psychotherapie grundlegendes gestaltpsychologisches Konzept von Wolfgang Metzger, wobei Freiheit als Freisein von Hemmnissen, welche schöpferischen Kräften entgegenwirken, zu verstehen ist. Ausgehend von der Annahme, dass in einem nicht behinderten lebenden System die Tendenz zur guten Gestalt wirkt und die grundsätzliche Möglichkeit der Selbstregulation besteht, ist im Umgang mit „Wesen“ zu beachten, dass sich diese nach eigenen inneren Gesetzen gestalten und verhalten. Wird man dieser Eigenart gerecht und ermöglicht dadurch das Wirken schöpferischer Kräfte, so kann aus dem Tun eines Menschen „etwas Besonderes, Neues, Eigenartiges, Ursprüngliches, Echtes, Wahres“ entstehen (Metzger 1962, S. 9).

Anhand von sechs „Kennzeichen der Arbeit am Lebendigen“ beschreibt Metzger jene Bedingungen, unter denen sich schöpferische Kräfte entfalten können:

  • Nicht-Beliebigkeit der Form,
  • Gestaltung aus inneren Kräften,
  • Nicht-Beliebigkeit der Arbeitszeiten,
  • Nicht-Beliebigkeit der Arbeitsgeschwindigkeit,
  • Duldung von Umwegen,
  • Wechselseitigkeit des Geschehens.

Es geht dabei um ein Wechselspiel zwischen „Betreuer und betreutem Wesen“, das Metzger mittels einer taoistischen Parabel veranschaulicht. Hier zeigt sich eine enge Verbindung zwischen gestalttheoretischen Grundlagen und östlichen Weisheitslehren und wird eine Haltung deutlich, die im Taoismus als absichtsloses Handeln oder Nicht-Eingreifen in den natürlichen Lauf der Dinge wiederzufinden ist (vgl. Kästl 1990).

Den Betrachtungen Metzgers über Kunst folgend geht es in der Therapiesituation für Hans-Jürgen Walter um die „Kunst des Lebens“ …„als die Fähigkeit, in schöpferischer Freiheit den Anforderungen und Möglichkeiten des Lebens zu begegnen“ (Walter 1985, 136f., vgl. auch Salber 1993). Unter Einbeziehung des Lebensraumkonstrukts übernimmt Walter (1985, 148ff) die von Metzger aufgestellten Kriterien der „Arbeit am Lebendigen“ und erläutert in „12 Antworten“ jene Bedingungszusammenhänge, die in einer therapeutischen Ausbildung gelehrt und erfahren werden sollen, um jene von Sachlichkeit (Ichhaftigkeit/Sachlichkeit) geprägte Haltung vermitteln bzw. entwickeln zu können, die eine freie Entfaltung angelegter Möglichkeiten und Fähigkeiten ermöglichen. Seine Ausführungen machen Parallelen zu der von Rogers beschriebenen Haltung des Psychotherapeuten und zu anderen wichtigen Verfahren der Humanistischen Psychologie deutlich und legen als gemeinsamen Grundsatz nahe, dass „die Therapiesituation ein Ort schöpferischer Freiheit sein muss“ (Walter 1979).

Literatur:

Kästl, Rainer (1990): Zur Beziehung von Wolfgang Metzger zu Taoismus und Zen-Buddhismus. Gestalt Theory, 12(3), 141-149.

Metzger, Wolfgang (1962): Schöpferische Freiheit. 2. umgearbeitete Auflage, Frankfurt.

Salber, Wilhelm (1993): Gestalt zwischen Kunst und Wirklichkeit. In: Menschlich forschen - Menschlich Handeln. Gestalt Theory, 15(3/4), 246-256.

Walter, Hans-Jürgen (1994): Gestalttheorie und Psychotherapie. Zur integrativen Anwendung zeitgenössischer Therapieformen. 3. Auflage. Opladen.

Walter, Hans-Jürgen & Irene Pauls (1979): Gestalttheorie als Grundlage Integrativer Psychotherapie. In: H.-J. Walter (1996): Angewandte Gestalttheorie in Psychotherapie und Psychohygiene. Opladen. 36-50.

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