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gleichgewicht

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Gleichgewicht

Eintrag in Bearbeitung

Kurt Lewin schreibt über die Gleichgewichtstendenz:1)

Die psychischen Prozesse lassen sich (..) vielfach aus der Tendenz zur Herstellung eines Gleichgewichts ableiten. Der Übergang von einem Ruhezustand zu einem Geschehen, sowie die Veränderung eines stationären Geschehens lassen sich darauf zurückführen, dass das Gleichgewicht an gewissen Punkten gestört ist, und nun ein Geschehen in der Richtung auf einen neuen Gleichgewichtszustand hin einsetzt.

Für die Durehführung dieses Gedankens wird man jedoch einige Punkte besonders beachten müssen.

1. Das Geschehen bewegt sich in der Richtung auf einen Gleichgewichtzustand nur für das System als Ganzes. Teilvorgänge können dabei in entgegengesetzten Richtungen verlaufen, ein Sachverhalt, der z. B. für die Theorie der Umweghandlungen yon größter Bedeutung ist. Es kommt also darauf an, das jeweils maßgebende Systemganze zugrunde zu legen; ja, die konkrete Forschungsaufgabe wird häufig geradezu im Aufsuchen dieses „maßgebenden“ Systems, seiner Grenzen und seiner inneren Struktur bestehen, aus der sich die besonderen Geschehnisse auf Grund des angeführten allgemeinen Satzes dann ohne weiteres ergeben.

2. Ein Gleichgewichtszustand in einem System bedeutet ferner nicht, dab ein spannungsloser Zustand in diesem System herrscht. Systeme können vielmehr auch in gespanntem Zustand ins Gleichgewieht kommen (z. B. eine Feder im Spannungszustand oder ein Behälter mit unter Druck befindlichen Gasen). Das Auftreten eines derartigen Systems setzt jedoch eine gewisse Grenzfestigkeit und faktische Abgeschlossenheit des Systems (beides nicht in räumlichem, sondern funktionellem Sinne verstanden) gegen sein Umfeld voraus.

Liegt kein so fester Zusammenhang der verschiedenen Teile des Systems untereinander vor, dass den auf Verschiebung drängenden Kraften standgehalten wird (d. h. zeigt das System nicht in sich eine genügende „innere Festigkeit“, sondern ist „flüssig“), oder ist das System durch keine hinreichend festen „Wände“ gegen das Umfeld abgeschlossen, sondern ist es gegen die Nachbarsysteme offen, so kommt es nicht zu stationären Spannungen; vielmehr erfolgt im Sinne der einseitigen Kräfte ein Geschehen, das auf die Nachbarbereiche unter Abfluss von Energie übergreift und das in der Richtung auf ein „Gleichgewicht auf einem geringeren Spannungsniveau“ im Gesamtbereich erfolgt. Die Voraussetzung für das Bestehen eines stationären Spannungszustandes ist also eine gewisse „Festigkeit“ des fraglichen Systems, sei es seine „innere“ Festigkeit, sei es die Festigkeit seiner „Wände“.

1)
In: Lewin, Kurt (1926): Vorbemerkungen über die psychisehen Kräfte und Energien und über die Struktur der Seele. Psychologische Forschung, 7, 294-329.
gleichgewicht.1484047859.txt.gz · Zuletzt geändert: 12.03.2024 13:25 (Externe Bearbeitung)