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Gestalttheorie, Gestaltpsychologie

Dieter Zabransky, Eggenburg

Die Gestaltpsychologie entstand am Beginn dieses Jahrhunderts als Gegenposition zu den damals vorherrschenden atomistischen Strömungen in der Psychologie (Assoziationspsychologie, Behaviorismus), nach denen sich seelische Vorgänge aus einzelnen Elementen zusammensetzen, die sich losgelöst voneinander untersuchen und bewerten lassen. Demgegenüber geht die Gestaltpsychologie von der primären Ganzheitlichkeit, Strukturiertheit und Dynamik seelischer Gegebenheiten aus. Die Gestaltpsychologie unterscheidet sich u.a. von der Psychoanalyse, indem sie auf der Grundlage ihres erkenntnistheoretischen Standortes (Kritischer Realismus) einen ganzheitlich-dynamischen Ansatz mit empirisch-experimentellem Wissenschaftsanspruch verbindet.

Die Gestaltpsychologie der Berliner Schule ist als Gestalttheorie weltweit bekannt geworden (Max Wertheimer, Wolfgang Köhler, Kurt Koffka, Kurt Lewin u.a.). Der historische Beginn wird gewöhnlich mit der Arbeit von Max Wertheimer (1912) über das Bewegungssehen und das Phi-Phänomen angesetzt. Gestalttheoretische Untersuchungen erstreckten sich in weiterer Folge auf eine große Vielfalt von Forschungsfeldern: Wahrnehmungsphänomene, Denken, Lernen und Gedächtnis, Willens- und Affektpsychologie, Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie, Sozialpsychologie, Klinische Psychologie und Pädagogik, Psychiatrie und Neurologie, Kunst, Ökonomie, sowie Fragen der Ethik und der Erkenntnis- bzw. Wissenschaftstheorie. Anwendungsfelder liegen heute unter anderem im Bereich von Psychotherapie, Pädagogik und Sport, aber auch Architektur und Kunst.

Hauptbereiche

Nach Metzger (1954) können vier Hauptbereiche der Gestaltpsychologie unterschieden werden:

1. Gestaltpsychologie ist eine Methodenlehre. Der Mensch wird ganzheitlich betrachtet, wobei dieser Ansatz keinerlei Verzicht auf wissenschaftliche Strenge und Exaktheit bedeutet.

2. Gestaltpsychologie ist Phänomenologie. Metzger führt hier insbesondere den gesicherten Wissensbestand von Gestalteigenschaften an: Wesenseigenschaften, Materialeigenschaften und Struktureigenschaften. In der Analyse einer Gesamtsituation ist der Weg „von oben nach unten“ zu gehen (Wesenseigenschaften > Struktureigenschaften).

3. Gestaltpsychologie ist eine dynamische Theorie. Metzger bezieht sich insbesondere auf die Fülle von willens- und sozialpsychologischen Arbeiten Lewins.

4. Gestaltpsychologie ist ein psychophysischer Ansatz. Gemäß der Isomorphieannahme Köhlers besteht zwischen physiologischen Vorgängen im Gehirn und psychischen Prozessen eine strukturelle Übereinstimmung, so dass gestalttheoretische Auffassungen und Befunde im Physikalischen wie im Psychischen Gültigkeit besitzen. Der Neurologe Kurt Goldstein entwickelte auf dieser Grundlage seine Ganzheitstheorie des Organismus.

Literatur:

  • Lewin, Kurt (1963/2012): Feldtheorie in den Sozialwissenschaften. Berlin. Neuauflage 2012: Hogrefe.
  • Metzger, Wolfgang (1954): Grundbegriffe der Gestaltpsychologie. Schweiz. Z. f. Psychol., Nr. 13.
  • Walter, Hans-Jürgen (1994): Gestalttheorie und Psychotherapie. Zur integrativen Anwendung zeitgenössischer Therapieformen. 3. Auflage. Opladen.
  • Walter, Hans-Jürgen (1996): Angewandte Gestalttheorie in Psychotherapie und Psychohygiene. Opladen.
  • Wertheimer, Max (1912): Experimentelle Studien über das Sehen von Bewegung. Z. f. Psychol. 61.
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