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Gesamtfeld, anschauliches

Gerhard Stemberger, Wien und Berlin

In den meisten Wahrnehmungssituationen geht es in mehr oder weniger ausgeprägter Weise nicht nur um die jeweilige Beschaffenheit der Wahrnehmungsgegenstände, mit denen die Person zu tun hat, sondern geht auch das Beobachter-Ich in das Wahrnehmen und Erleben mit ein – jedenfalls immer dann, wenn beim Hinwenden zum Gegenstand das Ich mit­erlebt wird.

Für diese Erlebnissituationen, mit denen wir es in der Psychotherapie in erster Linie zu tun haben, hat Wolfgang Metzger den Begriff des anschaulichen Gesamtfeldes geprägt: Das anschau­liche Gesamt­feld schließt also das wahrnehmende und handelnde Subjekt ein (Metzger 2001, 194). Insofern kann man hier demnach umfassender von einem anschaulichen Gesamt-Erlebnisfeld im Sinne nicht nur eines Wahrnehmungsfeldes, sondern eines Wahrnehmungs- und Handlungsfeldes oder Aktionsfeldes sprechen.

Der Begriff des anschaulichen Gesamtfeldes ist mit Kurt Lewins psychologischem Konstrukt „Lebensraum“ zwar nicht deckungsgleich, aber insofern verwandt, als sowohl der Begriff des anschaulichen Gesamtfeldes als auch das Konstrukt des Lebensraums den Blick auf die enge dynamische Wechselbeziehung zwischen anschaulichem Ich und anschaulicher Umwelt in Wahrnehmung und Verhalten richten.

Das Gesamtfeld kann a) zu einem hinsichtlich Ich und Umgebung annähernd koordinativen Erleben führen (annähernd koordinatives Gesamtfeld), b) zu einem ich-akzentuierten Erleben (ich-akzentuiertes Gesamtfeld) oder c) zu einem umgebungs-akzentuierten Erleben (umgebungs-akzentuiertes Gesamtfeld) (Kohl 1956, 3; Rausch 1966, 873).

Kurt Kohl erläutert diese drei grundlegenden Ausprägungen folgendermaßen:

  • Im hinsichtlich Ich und Umfeld mehr oder weniger koordinativen Anschauungsfeld sind Umwelt und Ich im mehr oder weniger ausgeglichenen Gewichtsverhältnis vertreten (Beispiel: Kind steht einem Hund gegenüber, von dem es angebellt wird.)
  • Im ich-betonten Anschauungsfeld ist das Ich die Hauptsache, Thema, als Figur besonders hervorgehoben (Beispiel: Kind, nachdem es vom Hund gebissen worden ist).
  • Ein umgebungs- oder umfeldbetontes Anschauungsfeld liegt z.B. vor, wenn Gegenstände oder Vorgänge einfach betrachtet werden - das Ich tritt dabei zurück.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich aus dem anschaulichen Gesamtfeld ein weiteres Gesamtfeld ausgliedern. Im Anschluss an Untersuchungen von Edwin Rausch (1982) hat Gerhard Stemberger diese Phänomene in seinem Mehr-Felder-Ansatz für die Psychotherapie erschlossen.

siehe auch:

Literatur:

gesamtfeld_anschauliches.1595159929.txt.gz · Zuletzt geändert: 12.03.2024 13:25 (Externe Bearbeitung)