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dreiphasenmodell

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Dreiphasen-Modell

Ausgehend von einem Beitrag von Rainer Kästl, Lindau und Wien

Das Dreiphasenmodell Lewins, auf das sich auch die Gestalttheoretische Psychotherapie in manchen Zusammenhängen bezieht, beinhaltet die Phasen „Auftauen-Ändern-Neustabilisieren“ und lässt sich - mit entsprechender Vorsicht auf die Psychotherapiesituation übertragen - sowohl auf eine einzelne Therapiesitzung als auch auf den gesamten Verlauf einer Therapie beziehen. Entsprechend den Deskriptionsdimensionen des Lebensraumes „Enge - Weite“, „Unordnung - Ordnung“, „Flüssigkeit - Rigidität“ und „Undifferenziertheit - Differenziertheit“ lässt sich der therapeutische Prozess angelehnt an dieses Modell als drei Phasen durchlaufend vorstellen. In der „Auftauphase“ soll eine Veränderung des Flüssigkeitsgrades die Durchlässigkeit von Lebensraumbereichen erhöhen, worunter durchaus eine Labilisierung des Gleichgewichtzustandes der Person verstanden werden kann. In der Phase des „Änderns“ werden die Dimensionen Weite und Differenziertheit beeinflusst. Dabei sind nach Lewin die drei Wirkfaktoren Bezogenheit, Konkretheit und Gegenwärtigkeit des Geschehens zu beachten, ohne die eine Änderung des Erlebens und Verhaltens nicht wirklich stattfinden kann. In der abschließenden Phase der „Neustabilisierung“ soll in der Dimension „Ordnung“ der Gleichgewichtszustand der Person auf einer höheren Prägnanzstufe wiederhergestellt werden, in der Fortschritte in der Differenziertheit und Komplexität des Lebensraumes integriert sind.

Das Dreiphasenmodell von Lewin wurde von H.-J. P. Walter mit der Freudschen Trias „Erinnern-Wiederholen-Durcharbeiten“ verglichen (Walter 1994, 200ff), betont allerdings weitaus deutlicher die Gegenwärtigkeit („Hier-und-jetzt-Prinzips“) des therapeutischen Geschehens. Liegt bei Freud der Schwerpunkt auf dem Erinnern und Bearbeiten vergangener Ereignisse, so sind bei Lewin alle gegenwärtig wirksamen Kräfte (also auch die aus der Vergangenheit in die Gegenwart wirkenden, aber auch die jetzt in die Zukunft gerichteten) miteinbezogen.

Lewin selbst hat sein Modell nicht auf Psychotherapie bezogen, sondern in seinen Untersuchungen über die erforderlichen Bedingungen für eine möglichst nachhaltige Anhebung von Gruppenstandards auf ein höheres Niveau entwickelt. Er spricht von einem „Dreischritt: Auflockern, Hinüberleiten und Verfestigen eines Gruppenstandards“ (Lewin 1963/2012, 262; im englischen Original: „Three-steps-Procedure: Unfreezing, Moving, and Freezing of a Level“, Lewin 1947, 210). Bei einer Übertragung des Modells auf psychotherapeutische Prozesse muss beachtet werden, dass es sich eben nur um ein Modell handelt, das die sorgfältige Beachtung der konkreten Situation und Erfordernisse anregen, aber nicht ersetzen kann. Ob also am Beginn einer Therapiestunde ein Abschnitt des Auftauens erforderlich ist oder im Gegenteil eine erste Stabilisierung, entscheidet die konkret Sachlage und kein Modell. Gegen ein blindes Überstülpen solcher Modelle spricht sich auch Lewin selbst aus (vgl. Lewin 1963/2012, 263).

Literatur:

Lewin, Kurt (1947): Group Decision and Social Change. In: Newcomb & Hartley (eds.), Readings in social psychology. New York: Holt, 330-344.

Lewin, Kurt (1963/2012): Feldtheorie in den Sozialwissenschaften. Bern. Neauflage 2012 Hogrefe-Verlag.

Lewin, Kurt (1969): Grundzüge der topologischen Psychologie. Bern.

Walter, Hans-Jürgen P. (1994): Gestalttheorie und Psychotherapie. Zur integrativen Anwendung zeitgenössischer Therapieformen. 3. Auflage. Opladen.

dreiphasenmodell.1610384572.txt.gz · Zuletzt geändert: 12.03.2024 13:25 (Externe Bearbeitung)