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-//Katharina Sternek//+====== Realismus, Naiver ====== 
 +[EN: naive realism] 
 + 
 +//[[http://www.oeagp.at/cms/index.php?page=katharina_sternek|Katharina Sternek, Wien]]//
  
 Der „naive Realismus“ ist eine dem [[Realismus, Kritischer|Kritischen Realismus]] entgegengesetzte erkenntnistheoretische Position, die dadurch gekennzeichnet ist, dass zwischen phänomenalen und physikalischen Gegebenheiten nicht unterschieden wird. Der „naive Realismus“ ist eine dem [[Realismus, Kritischer|Kritischen Realismus]] entgegengesetzte erkenntnistheoretische Position, die dadurch gekennzeichnet ist, dass zwischen phänomenalen und physikalischen Gegebenheiten nicht unterschieden wird.
  
-Die „naive“ Sichtweise entspricht durchaus dem Alltagsbewusstsein des Menschen. In seinem alltäglichen Erleben ist sich der Mensch des Abbildcharakters seiner Wahrnehmungen nämlich in der Regel nicht bewusst, sondern hält alle wahrgenommenen Gegenstände, Personen, aber auch den wahrgenommenen eigenen Körper, also alle „anschaulich-körperlichen“ Gegebenheiten, für „objektive“ Sachverhalte: „Die Welt ist so, wie ich sie sehe, rieche, spüre…“ Nur psychische Gegebenheiten, wie Vorstellungen, Gefühle, Gedanken etc., also „anschaulich-seelische“ Gegebenheiten, welche schon im Erleben den Charakter des „Inneren“, ganz Persönlichen aufweisen, werden als „subjektiv“ betrachtet.+Die „naive“ Sichtweise entspricht durchaus dem Alltagsbewusstsein des Menschen. In seinem alltäglichen Erleben ist sich der Mensch des Abbildcharakters seiner Wahrnehmungen nämlich in der Regel nicht bewusst, sondern hält alle wahrgenommenen Gegenstände, Personen, aber auch den wahrgenommenen eigenen Körper, also alle „[[anschaulich|anschaulich]]-körperlichen“ Gegebenheiten, für „objektive“ Sachverhalte: „Die Welt ist so, wie ich sie sehe, rieche, spüre…“ Nur psychische Gegebenheiten, wie Vorstellungen, Gefühle, Gedanken etc., also „[[anschaulich|anschaulich]]-seelische“ Gegebenheiten, welche schon im Erleben den Charakter des „Inneren“, ganz Persönlichen aufweisen, werden als „subjektiv“ betrachtet.
  
 Die erkenntnistheoretische Position des „naiven Realismus“ lässt sich weiter differenzieren in einen „naiven Physikalimus“ und einen „naiven Phänomenologismus“. Die erkenntnistheoretische Position des „naiven Realismus“ lässt sich weiter differenzieren in einen „naiven Physikalimus“ und einen „naiven Phänomenologismus“.
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 Im **„naiven Phänomenologismus“** hingegen wird unter Vernachlässigung physiologischer und physikalischer Sachverhalte nur den Phänomenen Wirklichkeitsgehalt zugeschrieben. Im Alltagsleben lässt sich eine solche Position schwer durchhalten, so gehen wir z.B. beim Kauf eines Gegenstandes selbstverständlich davon aus, dass wir diesen auch tatsächlich erhalten, was abgesehen von misslichen Ausnahmen in der Regel auch geschieht. Im **„naiven Phänomenologismus“** hingegen wird unter Vernachlässigung physiologischer und physikalischer Sachverhalte nur den Phänomenen Wirklichkeitsgehalt zugeschrieben. Im Alltagsleben lässt sich eine solche Position schwer durchhalten, so gehen wir z.B. beim Kauf eines Gegenstandes selbstverständlich davon aus, dass wir diesen auch tatsächlich erhalten, was abgesehen von misslichen Ausnahmen in der Regel auch geschieht.
  
-Eine gewisse Weiterentwicklung stellt der sogenannte **„semi-naive“ Realismus** dar. Er hat zwar die vorwissenschaftliche Sichtweise des „naiven Realismus“ erkannt, aber nicht gänzlich überwunden. Für den semi-naiven Phänomenologismus ist dabei typisch, dass er Eigenheiten der phänomenalen Welt unzulässig auf die physikalische Welt überträgt (z.B. die [[Feld, psychologisches |psychologische Feldtheorie]] auf den gesamten Organismus und seine Umwelt, wie es etwa im Konzept des „Organismus-Umwelt-Feldes“ in Schriften zur Gestalttherapie geschieht). Der semi-naive Physikalismus wiederum überträgt physikalisches Wissen in unzulässiger Weise auf phänomenale Sachverhalte. Ein Beispiel für eine solche unzulässige Vermengung von Physikalisch-Physiologischem mit Phänomenalem ist etwa der Einleitungssatz zu einem Klassiker der Gestalt-Therapie-Literatur: „An der Grenze von Organismus und Umwelt, zuallererst an der Hautoberfläche und in den anderen Organen der Sinneswahrnehmung und der motorischen Reaktion, ereignet sich Erfahrung“. Hier wird der phänomenale Sachverhalt „Erfahrung“ mit Sachverhalten im physikalischen Organismus und dessen Begegnung mit dem physikalischen Umfeld unzulässig vermengt.+Eine gewisse Weiterentwicklung stellt der sogenannte **„semi-naive“ Realismus** dar. Er hat zwar die vorwissenschaftliche Sichtweise des „naiven Realismus“ erkannt, aber nicht gänzlich überwunden. Für den //semi-naiven Phänomenologismus// ist dabei typisch, dass er Eigenheiten der phänomenalen Welt unzulässig auf die physikalische Welt überträgt (z.B. die [[Feld, psychologisches |psychologische Feldtheorie]] auf den gesamten Organismus und seine Umwelt, wie es etwa im Konzept des „Organismus-Umwelt-Feldes“ in Schriften zur Gestalt-Therapie geschieht). Der //semi-naive Physikalismus// wiederum überträgt physikalisches Wissen in unzulässiger Weise auf phänomenale Sachverhalte. Ein Beispiel für eine solche unzulässige Vermengung von Physikalisch-Physiologischem mit Phänomenalem ist etwa der Einleitungssatz zu einem Klassiker der Gestalt-Therapie-Literatur: „An der Grenze von Organismus und Umwelt, zuallererst an der Hautoberfläche und in den anderen Organen der Sinneswahrnehmung und der motorischen Reaktion, ereignet sich Erfahrung“. (Perls/Hefferline/Goodman 1979, S. 9) Hier wird der phänomenale Sachverhalt „Erfahrung“ mit Sachverhalten im physikalischen Organismus und dessen Begegnung mit dem physikalischen Umfeld unzulässig vermengt. 
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 +**Literatur zu den Grundlagen:** 
 +  * Bischof, Norbert (1966): [[http://oeagp.at/cms/uploads/mitglieder_download/Bischof1966ErkenntnistheoretischeGrundlagenprobleme.pdf|Erkenntnistheoretische Grundlagenprobleme der Wahrnehmungspsychologie.]] In: Metzger, W.; Erke, H. (Hg): //Wahrnehmung und Bewusstsein, Handbuch d. Psychologie//, Bd. 1/1, Göttingen 1966, 21-78. 
 +  * Köhler, Wolfgang (1968): //Werte und Tatsachen//. Heidelberg: Springer. 
 +  * Tholey, Paul (1980): Erkenntnistheoretische und systemtheoretische Grundlagen der Sensumotorik aus gestalttheoretischer Sicht, //Sportwissenschaft 10//, 7-33. In: P. Tholey (2018), [[https://www.academia.edu/35568300/|Gestalttheorie von Sport, Klartraum und Bewusstsein. Ausgewählte Arbeiten, herausgegeben und eingeleitet von Gerhard Stemberger]], Wien: Krammer, 3-34. 
 +**Literatur zu Naiver Realismus und Psychotherapie:** 
 +  * Sternek, Katharina (2018): [[https://www.academia.edu/37986668/|Vom Nutzen erkenntnistheoretischer Modelle für PsychotherapeutInnen]]. //Phänomenal - Zeitschrift für Gestalttheoretische Psychotherapie, 10//(1), 15-24. 
 +  * Fuchs, Thomas (2014): [[https://www.academia.edu/34672506/|Die praktische Seite einer Erkenntnistheorie: Zur Entwicklung einer angemessenen therapeutischen Haltung in der Arbeit mit essgestörten Menschen]]. //Gestalt Theory, 36//(2), 129-140.  
 +  * Fuchs, Thomas & Gerhard Stemberger (2018): [[https://www.academia.edu/37910305/|Über das Heranziehen weiterer Personen zur Psychotherapie]]. //Phänomenal - Zeitschrift für Gestalttheoretische Psychotherapie, 10//(1), 38-42. 
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 +**Paul Tholey:  
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 +Gestalttheorie von Sport, Klartraum und Bewusstsein.  
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 +Ausgewählte Arbeiten, hrsg. und eingeleitet von Gerhard Stemberger**  
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 +Wien: Verlag Wolfgang Krammer
  
-**Literatur**+ISBN 978 3 901811 76 0 | 310 Seiten | Preis 36,00 Euro
  
-Bischof, Norbert (1966)Erkenntnistheoretische Grundlagenprobleme der Wahrnehmungspsychologie. In: Metzger, W.; Erke, H. (Hg): //Wahrnehmung und Bewusstsein, Handbuch d. Psychologie//, Bd. 1/1, Göttingen 1966, 21-78.+[[mailto:info@oeagp.at|Nun direkt bei der ÖAGP-Geschäftsstelle zu beziehen]]
  
-Köhler, Wolfgang (1968): //Werte und Tatsachen//. Heidelberg: Springer.+-> [[https://www.academia.edu/35568300/Paul_Tholey_Gestalttheorie_von_Sport_Klartraum_und_Bewusstsein._Ausgew%C3%A4hlte_Arbeiten_herausgegeben_und_eingeleitet_von_Gerhard_Stemberger|Inhaltsverzeichnis und Einführung von Gerhard Stemberger]] 
 +</WRAP>
  
-Tholey, Paul (1980): Erkenntnistheoretische und systemtheoretische Grundlagen der Sensumotorik aus gestalttheoretischer Sicht, //Sportwissenschaft 10//, 7-33 
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