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Ordnung: Grundsatz der natürlichen Ordnung (nach W. Metzger)

Wolfgang Metzger (1899-1979) (Das Stichwort ist einer Textpassage in Metzger 1976 (Seite 662f.) entnommen.

Es gibt — neben anderen — auch Arten des Verhaltens und des Geschehens, die, frei sich selbst überlassen, einer ihnen selbst gemäßen und aus ihnen selbst entspringenden Ordnung fähig sind. Es gibt Gebilde — wie die Seifenblase, die hier als Merkbeispiel eingeführt sei —, die ihre Form und deren Erhaltung nicht (wie etwa eine Stein- oder Blechkugel) ihrer Starrheit verdanken, sondern einem Wechselspiel innerer Kräfte. Und so verliert auch sich selbst überlassenes Geschehen nicht unter allen Umständen seine Ordnung. Es gibt vielmehr Arten des Geschehens, die — und zwar nicht nur in Zufallshäufigkeit und -dauer — ihre Ordnung aus sich selbst heraus verwirklichen. Das heißt:

Geordnete Zustände und Verläufe können erstens unter Umständen von selbst - ohne das äußere Eingreifen eines ordnenden Geistes — entstehen.

Sie können sich zweitens unter denselben Umständen auch ohne den Zwang starrer Vorrichtungen auf die Dauer erhalten.

Sie können — ja müssen, sofern sie nicht auf Zwangsvorrichtungen beruhen — sich drittens unter veränderten Umständen sinngemäß ändern, und zwar ohne besondere Umschaltungen oder umsteuernde geistige Eingriffe.

Viertens können — wegen des Mangels an starren und daher auch schützenden Vorrichtungen — solche Ordnungen zwar leichter gestört werden, aber sie können — und das begründet ihre ungeheure Überlegenheit über jede Zwangsordnung —, wenn die Störung beseitigt ist, grundsätzlich, d. h. innerhalb gewisser Grenzen, ohne weiteres sich selbst wiederherstellen, was in der Biologie als Fähigkeit zur Homöostase und zur Regulation, im Alltag als »Heilung« bezeichnet wird.

Wie Wolfgang Köhler gezeigt hat, sind es dieselben Kräfte und Bedingungen, denen sie ihre Entstehung, ihre Erhaltung, ihre Anpassung an veränderte Umstände und ihre Wiederherstellung verdanken (Köhler 1920).

Mit einem Wort: Es gibt — neben den Tatbeständen der von außen geführten Ordnung, die niemand leugnet — auch natürliche, innere, sachliche Ordnungen, also Ordnungen, die nicht erzwungen sind, sondern sich »in Freiheit« ausbilden. Für diese Ordnungen lassen sich ebenso gut Gesetze aussprechen und sichern, wie für irgendeine Zwangsordnung.

Das heißt: Gesetz und Zwang sind nicht dasselbe; Gesetz und Freiheit schließen sich nicht aus. Es kann an Gebilden oder Zuständen und an Vorgängen grundsätzlich ebenso wohl erzwungene Unordnung wie auch nach Gesetzen sich ordnendes freies Geschehen geben.

Literatur:

Köhler, Wolfgang (1920): Die physischen Gestalten in Ruhe und im stationären Zustand. Eine naturphilosophische Untersuchung. Braunschweig: Vieweg.

Metzger, Wolfgang (1976): Gestalttheorie im Exil. In: H. Balmer (Hrsg.), Die Psychologie des 20. Jahrhunderts, Bd. I Die Europäische Tradition. Zürich u. a.: Kindler, 659-683.

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