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Klartraum

Dr.in Maria Seidenschwann

Der von Paul Tholey (1937-1998) kreierte Begriff „Klartraum“ bezeichnet Traumzustände, die bewusst als solche erlebt werden und in denen die üblichen Gedächtnis-, Verstandes- und Willensfunktionen verfügbar sind. Das bedeutet, dass die träumende Person nach eigenem Willen das Traumgeschehen beeinflussen kann.

Wesentliche Merkmale des Klartraums sind nach Tholey:

  1) Klarheit über den aktuellen Bewusstseinszustand (dass man also gerade träumt)
  2) Klarheit über die Entscheidungsfähigkeit
  3) Klarheit des Bewusstseins
  4) Klarheit über das Wachleben
  5) Klarheit der Wahrnehmung
  6) Klarheit über den Sinn des Traumes
  7) Klarheit über die Erinnerung an das Wachleben und an den Traum

Die klarträumende Person bewegt sich wie im Wachbewusstsein in der phänomenalen Welt ihres Traums. Sie ist sich bewusst, dass sie schläft bzw. träumt und dass daher ihr Traum-Körper-Ich nicht den Gesetzmäßigkeiten der physikalischen Welt unterworfen ist (z.B. fliegen oder durch Wände gehen kann).

Tholey entwickelte eigene Techniken für das Erlernen des „Klarträumens“, die im Unterschied zu anderen Wegen der Induktion von Klarträumen auf signalgebende Apparaturen verzichten. Sein Ansatz war, im Wachzustand über längere Zeit immer wieder zu hinterfragen und zu überprüfen, ob man wach ist oder träumt. Diese regelmäßige Überprüfung wird damit zur Gewohnheit, womit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie auch während des Träumens angewandt wird und zum Erkennen des Traumzustandes führt. Sobald man erkannt hat, dass man träumt, und sich der Möglichkeiten bewusst ist, die sich nun in der Traumwirklichkeit bieten, kann man den Traum für das Erproben unterschiedlicher Handlungsmöglichkeiten nutzen. So ist es u.a. auch möglich, mit dem eigenen Ich in andere Traumfiguren einzudringen und aus deren Augen die Traumszene zu betrachten. Man kann sich mit Traumfiguren und anderen Gegebenheiten des Traums in unterschiedlichster Weise auseinandersetzen und so seine Traumwirklichkeit erforschen und daraus auch Rückschlüsse für die eigene Wachwirklichkeit gewinnen.

Neben diesen Wegen zur Bewusstseinserweiterung und der Erforschung der eigenen Person - dabei auch sonst unbewusster Strebungen und Konflikte - bietet der Klartraum auch eine Fülle anderer Anwendungsmöglichkeiten. Eines davon findet sich in der Sportpsychologie: So lassen sich im Klartraum Bewegungsabläufe und das Raum-Lage-Gefühl trainieren.

Psychotherapeutische Anwendungsmöglichkeiten bei Albträumen und PTBS, auf die schon Tholey hingewiesen hatte, beschreibt Brigitte Holzinger (Wien) näher: Das Klarträumen wird zuerst erlernt, dann wird die Konfrontation mit den angsterregenden Traumbildern und Traumfiguren im Klartraum angestrebt. Ziel ist es, sich mit den Ängsten zu konfrontieren und damit diese bewältigen zu lernen. Der Klartraum gibt dem Träumer die Möglichkeit, sich entweder aus der bedrohlichen Situation zu retten oder ihr durch konstruktive Kontaktaufnahme mit den zuerst bedrohlich wirkenden Figuren den angstauslösenden Charakter zu nehmen. Häufig kann mit dieser Methode erreicht werden, dass die betroffene Person wieder ohne quälende Albträume schlafen kann.

Die wissenschaftliche Bedeutung der von Tholey und seinen Mitarbeitern und Schülern betriebenen Klartraumforschung liegt neben diesen vielfältigen praktischen Anwendungsmöglichkeiten im Nachweis der Fruchtbarkeit des phänomenologischen Erkenntnis- und Forschungsansatzes, in den damit erzielten Forschungsergebnissen zu zahlreichen Aspekten des leib-seelischen Zusammenhangs und in ihren Beiträgen zur Klärung wichtiger erkenntnistheoretischer Fragen.

Literatur:

Holzinger, B. (2007): Anleitung zum Träumen. Stuttgart: Klett-Cotta.

Tholey, P. (1980): Erkenntnistheoretische und systemtheoretische Grundlagen der Sensumotorik aus gestalttheoretischer Sicht. Sportwissenschaft 10, 7-33.

Tholey, P (1982): Bewußtseinsveränderung im Schlaf. Wach' ich oder träum' ich? Dialog mit der eigenen Psyche. Psychologie heute, 9(12), 68-78.

Tholey, P. (1985): Haben Traumgestalten ein eigenes Bewusstsein? Gestalt Theory, 7(1), 29-46.

Tholey, P. & Utecht,K (1989): Schöpferisch Träumen. Niederhausen: Falken-Verlag

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