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- | ==== Die Figur-Grund-Differenzierung ==== | + | //Angelika Böhm, Wien// |
- | Metz-Göckel 2008: " | + | ==== Pionier der Figur-Grund-Forschung: Edgar Rubin ==== |
+ | Das Begriffspaar Figur und Grund in seiner konkreten wahrnehmungspsychologischen Bedeutung geht auf die Forschungsarbeiten des dänischen Psychologen und Phänomenologen [[https:// | ||
- | Außerdem wurden | + | Rubin hat die [[phaenomenologie|Phänomenologie]] dieser Art von Figur/Grund-Erleben insbesondere |
- | ====Funktion des Hintergrundes==== | + | In der Gestaltpsychologie wurden die Untersuchungen Rubins sehr positiv aufgenommen. Mit Hilfe der eigenen Forschungsbefunde über die Gestalt-Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Wahrnehmung ließen sich die von Rubin beschriebenen Figur/ |
- | Allerdings gibt es viele Belege dafür, dass dem Hintergrund gleichfalls eine Funktion zuzuweisen ist. Dabei zeigt sich, dass eine Figur ihren besonderen Charakter durch die Verankerungen | + | ==== Eigenheiten von Figur und Grund ==== |
+ | Wird etwas in der visuellen | ||
- | ====Figur und Gestalt==== | + | Selbst bei der visuellen Wahrnehmung wird oft von "Figur auf Grund" gesprochen, obwohl gar nicht von zweidimensionalen Sachverhalten die Rede ist, sondern eigentlich // |
- | Bisweilen wird die Figur als Gestalt charakterisiert. Zum Wesen dieser Gestalt gehört jedoch, daß der Grund, auf dem sie erscheint, funktional mitgegeben ist: "Es gehört eben zum Wesen einer Figur, daß sie auf einem Grund liegt, daß sie aus einem Niveau herausragt, daß sie etwas Abgehobenes, | + | Die konkrete Herkunft und Bedeutung des wahrnehmungspsychologischen |
- | ====Figur/ | + | ==== Figur/ |
- | (Funktionswechsel von ' | + | |
- | Nach Edgar Rubin kann eine Figur bei geeigneter optischer Reizkonstellation und bei entsprechendem Verhalten | + | In der Gestalttheorie nehmen die Figur-Grund-Phänomene einen Platz im übergeordneten, weit darüber hinausreichenden Bereich der [[bezugssystem|Bezugssysteme]] |
- | //Beispiel bei Kurt Gottschaldt (1933)://\\ | + | Schon im Bereich |
- | Ein Kind steht (ähnlich wie bei den Anthropoidenversuchen Köhlers) vor der Aufgabe, sich Zugang zu einem Spielzeug zu verschaffen, | + | |
- | ====Intentionale Strukturierung, | + | * So wie der Grund zum Bezugssystem von figurhaft wahrgenommenen Sachverhalten wird, wird das anschaulich Umschließende bevorzugt zum Bezugssystem für das Umschlossene (Duncker 1928); |
- | Von der phänomenalen Strukturierung des Feldes ist nach Gottschaldt | + | * das Beständige wird bevorzugt zum Bezugssystem für das Unbeständige, |
+ | * die Randgebiete | ||
+ | * der Boden, | ||
+ | * das anschaulich Wirkliche (feste und solide) wird bevorzugt zum Bezugssystem für das anschaulich Scheinhafte, | ||
- | Erstes Moment (phänomenale Strukturierung): | + | Welches Bezugssystem bzw. welches Geflecht |
- | Zweites Moment | + | ==== Figur/ |
+ | Es gibt auch Fälle, wo die Figur-Grund-Gliederung nicht nur //ein// mögliches Bezugssystem neben vielen anderen ist, sondern zugleich auch das " | ||
- | //Beispiele bei Kurt Gottschaldt:// | + | ==== Unterschiede Bezugssystem und Teil/Ganzes-Beziehung==== |
- | "Wenn ich vor einem Bücherregal stehe und ein bestimmtes Buch suche, so bildet die optische Gegebenheit des Regals | + | Im Unterschied zur Beziehung zwischen dem Teil zum Ganzen kennzeichnet Bezugssysteme (und damit auch die Figur-Grund-Beziehung) die einseitige Begrenzung: „Nimmt man einen Teil aus einem Ganzen, so entsteht |
- | Oder:\\ | + | |
- | " | + | |
- | Die Weite und Enge des psychischen Umfeldes erweist | + | ====Nicht alles, was auffällt, ist Figur auf Grund==== |
+ | |||
+ | In den Gesetzen | ||
+ | |||
+ | Auf derartige Fälle nimmt Metzger schon in seiner // | ||
+ | |||
+ | Man kann also nicht einfach davon ausgehen, dass die Figur-Grund-Gliederung in jeder gegebenen Situation das Bezugssystem des gerade ablaufenden Geschehens ist. Es geht vielmehr immer um die Klärung, welches Bezugssystem gerade in der Wahrnehmung | ||
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+ | ====Vergleich mit der Gestalttherapie-Theorie==== | ||
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+ | Vereinfacht und zugespitzt kann man die Figur/ | ||
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+ | 1. In der Gestalttherapie-Literatur ist die Figur-Grund-Bildung das Prinzip, nach dem [[gestalt|Gestalten]] entstehen (z.B. „Gestalt wird in der Gestalttherapie als Dynamik des Hervortretens einer Figur vor einem Hintergrund dargestellt.“ Fuhr 2000, 242). In der [[gestalttheorie_gestaltpsychologie|Gestaltpsychologie]] dagegen wird die Entstehung, Veränderung | ||
+ | |||
+ | 2. In der Gestalttherapie-Theorie wird die Figur (für sie gleichbedeutend mit Gestalt) durch das gerade aktuelle Bedürfnis und die damit verbundene Aufmerksamkeit erzeugt; sie verschwindet mit der Befriedigung dieses Bedürfnisses. | ||
+ | In der Gestaltpsychologie ist die Figur nicht gleichbedeutend mit Gestalt. Zwar haben manche Gestalten auch die [[gestalteigenschaften_arten|Gestaltqualität]] des Figurhaften, Gestalten sind aber nicht auf diese Fälle beschränkt. Nach Auffassung der Gestaltpsychologie werden Gestalten auch weder durch die Aufmerksamkeit noch durch die Bedürfnisse erzeugt. Vielmehr richten sich Aufmerksamkeit und Bedürfnisse auf bereits vorgefundene Gestalten, die durch Aufmerksamkeit und Bedürfnisse hervorgehoben und manchmal auch deutlich verändert, aber eben nicht erschaffen werden. | ||
+ | |||
+ | 3. In der Gestalttherapie-Literatur wird das Figur-Grund-Prinzip in einer Interpretation, | ||
+ | In der Gestaltpsychologie hingegen nimmt das Figur-Grund-Verhältnis einen wesentlich bescheideneren Platz ein. Erstens spielt es nur dort eine Rolle, wo es tatsächlich um „Übereinander-Liegendes“ und nicht um „Nebeneinander-Liegendes“ oder in anderer Weise aufeinander Bezogenes geht. Zweitens ist es auch im erstgenannten Fall nur eines von mehreren möglichen oder tatsächlichen Bezugssystemen. Wer nur in Figur/ | ||
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+ | Daraus ergeben sich dann auch in der Psychotherapie entsprechende Aufgaben, an einer konstruktiven Veränderung solcher Bezugssysteme zu arbeiten. | ||
====Literatur==== | ====Literatur==== | ||
- | * Gottschaldt, Kurt (1933): //Der Aufbau des kindlichen Handelns//. Leipzig: Barth. | + | * Duncker, Karl (1928): Über induzierte Bewegung. |
- | * Metzger, Wolfgang | + | * Ehrenstein, Walter (1928): Untersuchungen über Bewegungs- und Gestaltwahrnehmung. III. Mitteilung. //Archiv für Psychologie, |
- | * Metzger, Wolfgang (2001): // | + | * Ehrenstein, Walter |
- | * Metz-Göckel, | + | * Fuchs, Thomas (2020): [[https://www.academia.edu/46664822/|Vom Miteinander, |
+ | * Fuhr, Reinhard (2000): Gestaltbegriff. | ||
+ | * Heider, Fritz (1927/2005): | ||
+ | * Koffka, Kurt (2008/ | ||
+ | * Linschoten, J. (1952): Experimentelle Untersuchung der sogenannten Induzierten Bewegung. // | ||
+ | * Metzger, Wolfgang (1950): Zum gegenwärtigen Stand der Psychophysik. In: // | ||
+ | * Metzger, Wolfgang (1966): Figural-Wahrnehmung. In: //Handbuch der Psychologie, | ||
+ | * Metzger, Wolfgang (1975): //Gesetze des Sehens. Die Lehre vom Sehen der Formen und Dinge des Raumes und der Bewegung//. Dritte, völlig überarbeitete Auflage. Frankfurt/ | ||
+ | * Metzger, Wolfgang (2001): // | ||
+ | * Metz-Göckel, | ||
+ | * Rubin, Edgar (1921): //Visuell wahrgenommen Figuren. Studien in psychologischer Analyse//. Kopenhagen/ | ||
+ | * Stemberger, Gerhard (2010): [[https:// | ||
+ | * Stemberger, Gerhard (2022): Die schwierige Klientin: Eine fragwürdige Figur. Ein gestalttheoretisch-psychotherapeutischer Kommentar. // | ||
+ | * Sternek, Katharina (2020): [[https:// | ||
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