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Figur/Grund

Eintrag in Bearbeitung

Bisweilen wird die Figur als Gestalt charakterisiert. Zum Wesen dieser Gestalt gehört jedoch, daß der Grund, auf dem sie erscheint, funktional mitgegeben ist: „Es gehört eben zum Wesen einer Figur, daß sie auf einem Grund liegt, daß sie aus einem Niveau herausragt, daß sie etwas Abgehobenes, Differenziertes gegenüber etwas Unbestimmtem oder weniger Bestimmtem darstellt“ (Koffka).

Figur/Grund-Umschlag (Funktionswechsel von 'Figur' und 'Grund'): Nach Edgar Rubin kann eine Figur bei geeigneter optischer Reizkonstellation und bei entsprechendem Verhalten der betrachtenden Person den Charakter eines Grundes annehmen; zugleich wird umgekehrt der Teil der Konstellation, der vorher Grund war, als Figur gesehen. Neben diesem Sonderfall gibt es jedoch auch eine andere Konstellation, in der man von einem solchen Funktionswechsel sprechen kann: Wenn nämlich bei einem gestaffelten Figur-Grund-Verhältnis das, was für die Figur den Grund abgibt, in einem Auffassungswechsel selbst wieder als Figur auf einem darunter (dahinter) liegenden Grund gesehen wird.

Beispiel bei Kurt Gottschaldt (1933):

Ein Kind steht (ähnlich wie bei den Anthropoidenversuchen Köhlers) vor der Aufgabe, sich Zugang zu einem Spielzeug zu verschaffen, das auf einem Teppich liegt, der bis an ein Gitter heranreicht, das ihm den direkten Zugang zum Spielzeug versperrt. Fürs erste ist hier das Spielzeug Figur auf einem Grund (dem Teppich). Um eine Lösung für dieses Problem zu finden, muß das Kind eben diesen Auffassungswechsel vollziehen können, also den Teppich als Figur auf seinem Grund (dem Boden) zu sehen: Erst dann kann auch der Teppich seine Funktion wechseln, von der 'Unterlage' zum 'Werkzeug', um das Spielzeug heranzuziehen (vgl. Gottschaldt 1933, 163ff). Es ist also die Fähigkeit erforderlich, auch den Grund als funktionswichtig-zugehörig zu erfassen und einen entsprechenden Funktionswechsel herbeizuführen.

Intentionale Strukturierung, intentional-betonte Figur, intentional-neutraler Grund Von der phänomenalen Strukturierung des Feldes ist nach Gottschaldt (1933) die intentionale Strukturierung des Feldes zu unterscheiden. Beides sind Momente jedes lebendigen Wahrnehmungsvorganges (soweit er nicht im Laboratoriumsversuch auf eine eingeengte Situation beschränkt ist).

Erstes Moment (phänomenale Strukturierung): Die uns umgebenden Gegenstände stellen nicht nur eine Summe von Empfindungen und Emfindungskomplexen, assoziativ verbunden mit Vorstellungen, dar, sondern sind als bestimmte phänomenale Gestalten gegeben. Diese Gestalten erscheinen als spezifische, von einem 'Grund' abgehobene, zusammengehörige Konfigurationen.

Zweites Moment (intentionale Strukturierung): Die Gruppierungen, die normalerweise erlebt werden, sind bei der biologischen Wahrnehmung in irgendeiner Weise sinnbezogen und heben sich als solche von einem „intentional-neutralen Grunde“ ab.

Beispiele bei Kurt Gottschaldt:

„Wenn ich vor einem Bücherregal stehe und ein bestimmtes Buch suche, so bildet die optische Gegebenheit des Regals eine phänomenale Gestalt von bestimmter Struktur. Ich sehe bestimmte Gruppierungen von Farben und Formen, aus denen sich wieder einzelne Bücher durch ihre Farbe und Größe von den übrigen abheben. Aber das speziell gesuchte Buch, das gewöhnlich beim Suchen aus dem optischen Komplex der Reihe herausspringt, ist 'intentional betonte Figur' gegenüber dem 'intentional-neutralen Grund' der übrigen Bücher“ (84).

Oder:

„Wenn sich in einem Spielfeld ein Ball, eine Puppe, ein Baukasten und vielleicht eine Lötlampe befinden, so wird der Dreijährige alle diese Gegenstände als irgendwie geformte phänomenale Gestaltkomplexe erleben, aber intentional-bezogene Glieder des Feldes sind nur Puppe und Ball, während die Lötlampe und der Konstruktionsbaukasten als 'intentional-neutraler Grund' vorhanden sind. Bei einem Zehnjährigen kann es bis zu einem gewissen Grad umgekehrt sein“ (ebenda).

Die Weite und Enge des psychischen Umfeldes erweist sich nun bis zu einem hohen Grade von seiner intentionalen Strukturierung abhängig. Das Umfeld ist von dem Verhältnis der Aufforderungscharaktere, den die wahrgenommenen Objekte auf uns ausüben, zu der momentan beherrschenden Bedürfnisstruktur bestimmt. Gegenstände und Ereignisse, die zu einem bedürfnisartigen Spannungszustand führen, bzw. auf die ein solches Bedürfnis anspricht, enthalten 'Aufforderungscharakter'. Aufforderungscharakter und entsprechendes Bedürfnis sind also korrelative Begriffe (ebenda, 82, 83).

Literatur:

Gottschaldt, Kurt (1933): Der Aufbau des kindlichen Handelns. Leipzig: Barth.

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