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ethik_und_gestalttheorie

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ethik_und_gestalttheorie [20.07.2021 12:52]
stemberger
ethik_und_gestalttheorie [12.03.2024 13:26] (aktuell)
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 ====== Ethik und Gestalttheorie ====== ====== Ethik und Gestalttheorie ======
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 //Beate Weitkemper, Soest// //Beate Weitkemper, Soest//
  
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 Köhlers Buch "The place of value in a world of facts" (1938; [[https://www.springer.com/de/book/9783540042112|deutsch: Werte und Tatsachen 1968]]) ist eines der zentralen Werke auch zur gestalttheoretischen Ethik. Hier zeigt Köhler, dass der wissenschaftliche Ansatz der Gestalttheorie Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften, insbesondere Physik und Philosophie, in fruchtbarer Weise miteinander zu verbinden vermag, so dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit zentralen menschlichen Fragen nach Sinn, Wert, Geschichte usw. möglich wird. Köhlers Buch "The place of value in a world of facts" (1938; [[https://www.springer.com/de/book/9783540042112|deutsch: Werte und Tatsachen 1968]]) ist eines der zentralen Werke auch zur gestalttheoretischen Ethik. Hier zeigt Köhler, dass der wissenschaftliche Ansatz der Gestalttheorie Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften, insbesondere Physik und Philosophie, in fruchtbarer Weise miteinander zu verbinden vermag, so dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit zentralen menschlichen Fragen nach Sinn, Wert, Geschichte usw. möglich wird.
  
-Köhler weist in seinem Buch nach, dass Werte in ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung naturwissenschaftlich allgemein anerkannten Tatsachen nicht nachstehen, dass Werten ein vergleichbarer Rang zusteht. Er veranschaulicht, dass Werte und Tatsachen auf dem Hintergrund des [[realismus_kritischer|Kritischen Realismus]] und eines feldtheoretisch-dynamischen Ansatzes sowohl in der erlebten, phänomenalen Welt als auch in der transphänomenalen, physikalischen Welt existieren und dass diese beiden Welten entsprechend dem Isomorphieprinzip auf das engste miteinander verbunden, also strukturell in vielerlei Hinsicht gleichgestaltig sind. Die Welt der Physik und die Welt der Philosophie liegen für Köhler also viel näher zusammen, als die Vertreter dieser Disziplinen üblicherweise zu glauben scheinen.+Köhler weist in seinem Buch nach, dass Werte in ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung naturwissenschaftlich allgemein anerkannten Tatsachen nicht nachstehen, dass Werten ein vergleichbarer Rang zusteht. Er veranschaulicht, dass Werte und Tatsachen auf dem Hintergrund des [[realismus_kritischer|Kritischen Realismus]] und eines feldtheoretisch-dynamischen Ansatzes sowohl in der erlebten, phänomenalen Welt als auch in der transphänomenalen, physikalischen Welt existieren und dass diese beiden Welten entsprechend dem [[isomorphie|Isomorphieprinzip]] auf das engste miteinander verbunden, also strukturell in vielerlei Hinsicht gleichgestaltig sind. Die Welt der Physik und die Welt der Philosophie liegen für Köhler also viel näher zusammen, als die Vertreter dieser Disziplinen üblicherweise zu glauben scheinen.
  
 Während Köhler den Geisteswissenschaftlern vorwirft, vielfach den Bezug zu Fragen der konkreten Lebenswirklichkeit verloren zu haben und sich mit Schrebergärtnermentalität auf genau abgezirkelte „Äcker" zu beschränken, wirft er den Naturwissenschaftlern seiner Zeit v.a. ihren Materialismus, Atomismus, Positivismus und Reduktionismus vor, die z.B. in Darstellungen gipfelten, die zeigen sollen, dass ein Mensch nicht mehr als ca. 63 Dollar wert sei, so viel nämlich, wie man für seine chemischen Bausteine Stickstoff, Wasserstoff usw. bezahlen müsste. An der philosophischen Auseinandersetzung mit dem Werteproblem bemängelt Köhler v.a., dass Werte einseitig in einer idealen Welt (Platon), im menschlichen Geist (Kant) oder beschränkt auf die Welt der Mathematik bzw. Logik (Husserl) angesiedelt wurden und nicht in ihrer engen Bezogenheit auf Tatsachen gesehen wurden. Während Köhler den Geisteswissenschaftlern vorwirft, vielfach den Bezug zu Fragen der konkreten Lebenswirklichkeit verloren zu haben und sich mit Schrebergärtnermentalität auf genau abgezirkelte „Äcker" zu beschränken, wirft er den Naturwissenschaftlern seiner Zeit v.a. ihren Materialismus, Atomismus, Positivismus und Reduktionismus vor, die z.B. in Darstellungen gipfelten, die zeigen sollen, dass ein Mensch nicht mehr als ca. 63 Dollar wert sei, so viel nämlich, wie man für seine chemischen Bausteine Stickstoff, Wasserstoff usw. bezahlen müsste. An der philosophischen Auseinandersetzung mit dem Werteproblem bemängelt Köhler v.a., dass Werte einseitig in einer idealen Welt (Platon), im menschlichen Geist (Kant) oder beschränkt auf die Welt der Mathematik bzw. Logik (Husserl) angesiedelt wurden und nicht in ihrer engen Bezogenheit auf Tatsachen gesehen wurden.
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 Köhler wählt als Zugang zum Werteproblem den erkenntnistheoretischen Ansatz des [[realismus_ kritischer|Kritischen Realismus]]: Köhler wählt als Zugang zum Werteproblem den erkenntnistheoretischen Ansatz des [[realismus_ kritischer|Kritischen Realismus]]:
  
-Dieser beinhaltet eine klare Unterscheidung zwischen der erlebten sog. phänomenalen Welt (Wirklichkeit im zweiten Sinne nach Metzger) und der erlebnisjenseitigen, physikalischen sog. transphänomenalen Welt (Wirklichkeit im ersten Sinne nach Metzger). Während die phänomenale Welt die Ebene des alltäglichen Erlebens meint, die der Erfahrung unmittelbar zugänglich ist, handelt es sich bei der tranphänomenalen Welt um eine nur indirekt zugängliche Welt. Entsprechend diesem erkenntnistheoretischen Dualismus muss auch klar unterschieden werden zwischen dem Organismus als transphänomenalen, physikalischen Gebilde und dem [[koerper-ich_koerper-schema|Körper-Ich]] als Wahrnehmungsgegenstand innerhalb der phänomenalen Welt. Das psychophysische Niveau wird als entscheidende Schnittstelle zwischen diesen beiden Welten postuliert, ein hypothetischer Ort im Gehirn, der Wahrnehmung letztlich erst ermögliche. Wichtig ist, dass phänomenal verstanden, sich das Körper-Ich als abgegrenzter Teil in einer Umwelt erlebt (vgl. [[feldkonzepte_psychologische|Feldtheorie]] Lewins), während sich das Erleben physikalisch betrachtet innerhalb des physikalischen Organismus, vermittelt über sog. psychophysische Prozesse im Gehirn, abspielt. Die beiden Welten sind also über diese Prozesse und das zugrundegelegte [[isomorphie|Isomorphieprinzip]] (siehe unten) miteinander verbunden.+Dieser beinhaltet eine klare Unterscheidung zwischen der erlebten sog. phänomenalen Welt ([[wirklichkeit|Wirklichkeit im zweiten Sinne nach Metzger]]) und der erlebnisjenseitigen, physikalischen sog. transphänomenalen Welt ([[wirklichkeit|Wirklichkeit im ersten Sinne nach Metzger]]). Während die phänomenale Welt die Ebene des alltäglichen Erlebens meint, die der Erfahrung unmittelbar zugänglich ist, handelt es sich bei der tranphänomenalen Welt um eine nur indirekt zugängliche Welt. Entsprechend diesem erkenntnistheoretischen Dualismus muss auch klar unterschieden werden zwischen dem Organismus als transphänomenalen, physikalischen Gebilde und dem [[koerper-ich_koerper-schema|Körper-Ich]] als Wahrnehmungsgegenstand innerhalb der phänomenalen Welt. Das [[psychophysisches_niveau|psychophysische Niveau]] wird als entscheidende Schnittstelle zwischen diesen beiden Welten postuliert, ein hypothetischer Ort im Gehirn, der Wahrnehmung letztlich erst ermögliche. Wichtig ist, dass phänomenal verstanden, sich das Körper-Ich als abgegrenzter Teil in einer Umwelt erlebt (vgl. [[feldkonzepte_psychologische|Feldtheorie]] Lewins), während sich das Erleben physikalisch betrachtet innerhalb des physikalischen Organismus, vermittelt über sog. psychophysische Prozesse im Gehirn, abspielt. Die beiden Welten sind also über diese Prozesse und das zugrundegelegte [[isomorphie|Isomorphieprinzip]] (siehe unten) miteinander verbunden.
  
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   * Duncker, Karl (1939/2008): Ethische Relativität? Eine Untersuchung über die Psychologie der Ethik. Zuerst 1939 auf Englisch erschienen, deutsche Übersetzung von H.-J. Walter in K. Duncker (2008), //Erscheinung und Erkenntnis des Menschlichen. Aufsätze 1927-1940//, Wien: Krammer, 62-78.   * Duncker, Karl (1939/2008): Ethische Relativität? Eine Untersuchung über die Psychologie der Ethik. Zuerst 1939 auf Englisch erschienen, deutsche Übersetzung von H.-J. Walter in K. Duncker (2008), //Erscheinung und Erkenntnis des Menschlichen. Aufsätze 1927-1940//, Wien: Krammer, 62-78.
   * Wertheimer, Max (1935/1991): Einige Probleme in der Theorie der Ethik. Zuerst 1935 auf Englisch erschienen, deutsche Übersetzung von M. Kerres und H.-J. Walter in M. Wertheimer (1991), //Zur Gestaltpsychologie menschlicher Werte//, Opladen: Westdeutscher Verlag, 35-63.   * Wertheimer, Max (1935/1991): Einige Probleme in der Theorie der Ethik. Zuerst 1935 auf Englisch erschienen, deutsche Übersetzung von M. Kerres und H.-J. Walter in M. Wertheimer (1991), //Zur Gestaltpsychologie menschlicher Werte//, Opladen: Westdeutscher Verlag, 35-63.
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 +{{:werte_und_tatsachen_2_.jpg?nolink&200 |}}
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 +**Wolfgang Köhler: 
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 +Werte und Tatsachen** 
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 +Nachdruck der Ausgabe 1968
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 +300 Seiten 
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 +**Preis E-Book 8,99 €** 
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 +Preis Gedrucktes Buch 66,81 Euro
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 +-> [[https://www.springer.com/de/book/9783540042112|Bestellen beim Springer-Verlag]]
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ethik_und_gestalttheorie.1626778332.txt.gz · Zuletzt geändert: 12.03.2024 13:25 (Externe Bearbeitung)